Mangelhafte Schutzausrüstung gekauft? Was tun?

Mangelhafte Schutzausrüstung gekauft? Was tun?

Die Meldungen von fehlenden Schutzausrüstungen – vor allem in Kliniken – hatten zu Beginn der Corona-Pandemie viele verunsichert. Und dazu geführt, dass erstens bald alles ausverkauft war und zweitens Schutzmaterial auf den Markt kam, dass nicht immer einwandfrei war. consus.law sind Spezialisten für Medizinrecht. Sie betreuen Kliniken und Unternehmen, die ihre Schutzausrüstung prüfen lassen wollen, und machen gegebenenfalls Ansprüche geltend. Im Interview erklärt Bianca Meier, worauf geachtet werden soll und wie consus.law arbeiten.

Wieviel der ausgelieferten PSA ist tatsächlich mangelhaft?

Bei den vom Bundesgesundheitsministerium in der ersten Welle beschafften Masken wird davon ausgegangen, dass etwa 20% der Masken mangelhaft gewesen sind, also nicht den vertraglich geschuldeten Schutz boten. Bei den von uns bereits durchgeführten Prüfungen verhält es sich bisher genau umgekehrt, wir sehen nur etwa 20% rechtskonform in den Verkehr gebrachte Ware. Dreh- und Angelpunkt sind dabei gefälschte Zertifikate oder Zertifikate von Stellen, die gar keine Schutzausrüstung zertifizieren dürfen. Natürlich wenden sich an uns insbesondere diejenigen, die bereits einen entsprechenden Verdacht hegen, sodass sich die Trefferquote damit gut erklären lässt.

Welche Mängel gibt es und wie können diese erkannt werden?

Hier müssen wir unterscheiden zwischen tatsächlich mangelhafter PSA, also etwa Masken, die den vertraglich geschuldeten Schutz nicht bieten und persönlicher Schutzausrüstung, die nicht rechtskonform in den Verkehr gebracht wurde.

Das Herstellen, Inverkehrbringen und Vertreiben der Masken innerhalb des Europäischen Binnenmarkts folgt einem aufwendigen Anmelde- und Prüfverfahren. Bereits rechtskonform zertifizierte Produkte zu beschaffen, hat sich in den vergangenen Monaten als echte Herausforderung erwiesen. Zwar haben die Europäische Kommission sowie die zuständigen Bundesbehörden reagiert und Erleichterungen vorgesehen, wir sehen aber weiterhin beschaffte Ware, die nicht ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht wurde.

In dem Verordnungsdschungel kann man allerdings auch wirklich schnell den Überblick verlieren. Ich gebe Ihnen ein Beispiel:

Die Verordnung (EU) 2016/425 verlangt in Artikel 8 Absatz. 1 und 2 für das rechtmäßige Inverkehrbringen von bestimmten Kategorien persönlicher Schutzausrüstung die Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens unter Beteiligung einer so genannten „Benannten Stelle“ einschließlich einer Baumusterprüfung.

Unter diese Kategorien fallen Atemschutzmasken der Typen FFP2 und FFP3. Für diese Gegenstände wird allerdings eine Ausnahme zugelassen, wenn sie nicht mit einem Ausatemventil ausgestattet sind. In diesem Fall kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Sonderzulassung erteilen, wenn die Masken seitens des Herstellers mit einer medizinischen Zweckbestimmung ausgelobt und als Medizinprodukte im Sinne medizinischer Gesichtsmasken in Verkehr gebracht werden sollen; das regelt § 2 Absatz 4a Medizinproduktegesetz (MPG). Da dann das MPG anwendbar ist, kann insoweit auch eine Sonderzulassung nach § 11 Absatz 1 MPG erteilt werden.

Für persönliche Schutzausrüstung hat die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) einen vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und der DEKRA entwickelten Prüfgrundsatz für partikelfiltrierende Halbmasken veröffentlicht. Inhaltlich müssen die Masken den Prüfkriterien der Norm DIN EN 149:2001+A1:2009 entsprechen. Auch bei FFP-Masken erkennt das BfArM diese Voraussetzungen ohne eigene Prüfung als gegeben an, wenn eine gültige Zulassung in den USA, in Australien, Kanada oder Japan vorgelegt wird. Die Sonderzulassung ermächtigt bei persönlicher Schutzausrüstung ebenso wie bei Medizinprodukten aber nicht zur Anbringung der CE-Kennzeichnung.

Dies ist nur eine kleine Auswahl der zu beachtenden Normen, die sich im Übrigen auch je nach Pandemielage verändern können, für Mund-Nasen-Schutz gilt wieder etwas anderes.

Wenn dann Lieferanten am Markt auftreten, die sonst mit diesen Normen keine Berührungspunkte haben, dabei aber das Geschäft ihres Lebens ahnen, kann eine Menge schiefgehen.

Und genau das zeigt sich uns bei der täglichen Überprüfung der Unterlagen und der Ware.

Bei den Sachmängeln führt mangelhaftes Filtermaterial, was dann eben zu Durchlässigkeit der Viren führt und damit nicht den Schutz gewährleistet, der geschuldet ist. Teilweise schließen die Masken nicht ordentlich auf dem Gesicht ab, sodass ebenfalls Viren durchdringen können. Wir haben aber auch schon stark verdreckte oder verschimmelte Schutzausrüstung gesehen. 

Wie wird die Ware geprüft?

Zunächst prüfen wir die Übereinstimmung der Produktbeschreibung mit den mitgelieferten Dokumenten und schauen durch Abarbeitung eines entsprechenden Prüfschemas, ob die Ware rechtskonform zugelassen ist. Dann erfolgt ein Check der diversen Produktwarnungsplattformen und die Prüfung, ob die zertifizierende Stelle überhaupt berechtigt ist, solche Zertifikate auszustellen. Zudem findet eine Sichtprüfung statt. Wenn Sie dreckige Ware vor sich sehen oder sich eine FFP2 Maske aufsetzen und ganz normal mit ihr atmen können, stimmt was nicht. Bei einem begründeten und dringenden Verdacht auf Mangelhaftigkeit kann die Ware durch so genannte „Benannte Stellen“ überprüft werden. Dazu gehört beispielsweise die DEKRA oder auch der TÜV Nord und einige weitere Stellen mehr. Dort wird die Ware dann in einem bestimmten Testverfahren geprüft und so festgestellt, ob sie den erforderlichen Schutzstandard gewährleistet.

Haben Kunden Anspruch auf Geld zurück oder sogar einwandfreie Ware?

Kunden können ganz normal Schadenersatzansprüche geltend machen. Damit verbunden ist allerdings zunächst das Recht des Verkäufers auf Nacherfüllung. Der Lieferant muss also unter Fristsetzung aufgefordert werden, die vertraglich geschuldete mangelfreie Ware zu liefern. Verstreicht diese Frist ergebnislos, kann vom Vertrag zurückgetreten werden. Dann gibt es Geld gegen Ware.

Wie unterstützen Sie bei der Rückabwicklung der Verträge?

Wir übernehmen sowohl die Überprüfung der Unterlagen und kümmern uns gegebenenfalls auch um die Durchführung der Testverfahren durch die benannten Stellen. Je nach Ergebnis dieser Prüfungen treten wir an den Lieferanten heran und machen entsprechend Ansprüche geltend.

Wie lange dauert das?

Das kommt ganz darauf an, wie eindeutig die Rechtslage ist. Wenn wir offensichtlich gefälschte Unterlagen identifizieren und den Lieferanten damit konfrontieren, geht es meist sehr schnell. Anderenfalls fällt die Prüfung sowie die sich anschließende Korrespondenz und Abwicklung umfangreicher aus und braucht eben auch mehr Zeit.

Sie arbeiten erfolgsabhängig. Was bedeutet das für das Unternehmen?

Wir prüfen die Ware, die mutmaßlich mangelbehaftet ist und partizipieren an der Einsparung des Unternehmens. Das Unternehmen ist dann auch unter Compliancegesichtspunkten auf der sicheren Seite, da es weiß, ob eine Ware bedenkenlos eingesetzt werden kann oder besser aus dem Lager verschwinden sollte.

Was muss mit der mangelhaften Ware gemacht werden?

Natürlich sollte diese nicht mehr eingesetzt werden. Und im Falle der Rückabwicklung geht sie zurück an den Lieferanten.

Auf was muss künftig bei der Beschaffung von PSA geachtet werden?

Grundsätzlich ist es wichtig darauf zu achten, dass Schutzausrüstung die nötigen Zertifikate aufweist. Atemschutzmasken müssen normalerweise der europäischen Verordnung über persönliche Schutzausrüstungen genügen. Im Zuge der Corona-Krise wurden auch Schutzausrüstungen ohne den entsprechenden Nachweis als zulässig angesehen, wenn diese den Schutzstandard in den USA, Kanada, Australien oder Japan erfüllen. Gleichzeitig wurden aber auch vermehrt Schutzausrüstungen mit gefälschten Zertifikaten auf den Markt gebracht. Die Zertifikate sollten daher auf Echtheit und Plausibilität geprüft werden. Dies funktioniert ganz gut, wenn man die entsprechenden Produktwarnungsseiten kennt, diese verfolgt und sie mit der gelieferten Ware matcht. Und natürlich sollte die Ware bei Anlieferung sorgfältig in Augenschein genommen werden.

Eingestellt von anja