CARL rettet Leben
Nach einem Herzstillstand rast die Zeit: Jede Minute, die verrinnt, bevor das Herz wieder zu schlagen beginnt, verringert die Überlebenschance um etwa zehn Prozent. Bei Anna Heimer* waren es 120 Minuten. Dass es ihr heute gut geht, ist das Ergebnis intensiver Freiburger Forschung und einer sehr vielversprechenden neuen Therapie: CARL.
Es kann einen jederzeit treffen: Beim Einkaufen, am Badesee oder im Büro. Rund 50.000 Menschen in Deutschland erleiden jährlich außerhalb des Krankenhauses einen plötzlichen Herzstillstand. Durch eine Reanimation kann das Herz wieder aktiviert werden. Doch es überlebt gerade einmal jede*r Zehnte, viele Betroffene haben lebenslang mit den Folgen zu kämpfen. Auch die 37-jährige Anna Heimer* hätte ihren Herzstillstand höchstwahrscheinlich nicht überlebt – wenn sie nicht das Glück gehabt hätte, am Universitätsklinikum Freiburg CARL zu begegnen.
Es ist ein schöner Sommertag, als Heimers Herz bei der Gartenarbeit plötzlich zu schlagen aufhört. Ihr Mann ruft sofort den Notarzt und beginnt mit der Wiederbelebung. Doch das Herz bleibt stumm. Daraufhin wird die Patientin per Rettungswagen ins Universitätsklinikum Freiburg gebracht. Mittlerweile sind rund zwei Stunden vergangen, eine Ewigkeit in der Notfallmedizin.
Die Freiburger Erkenntnisse sind weltweit gefragt
Professor Dr. Friedhelm Beyersdorf, Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg, erforscht mit seinem Team seit mehr als 30 Jahren neue Wege in der Notfalltherapie nach Herzstillstand. „Wenn das Herz zu schlagen aufhört, wird der Körper und vor allem das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Wir wissen aber seit einiger Zeit, dass die Organe vor allem Schaden nehmen, wenn nach erfolgreicher Reanimation wieder viel Sauerstoff zu Verfügung steht. Gleichzeitig kommen viele andere Blutwerte durch den Herzstillstand gefährlich aus dem Gleichgewicht“, erklärt Beyersdorf.
In umfassenden Forschungsarbeiten gelang es den Freiburger Ärzt*innen und Forscher*innen kürzlich zu entschlüsseln, wie zentrale Parameter in der Notfallbehandlung eingestellt werden müssen, um Gewebeschäden zu verhindern und die Genesung zu beschleunigen. Dazu gehören ein nur langsam ansteigender Sauerstoffgehalt und ein abgesenkter Kalziumspiegel im Blut sowie eine niedrige Körpertemperatur. Im Juli 2021 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse in einem weltweit renommierten Forschungsmagazin.
Ein neu entwickeltes Gerät ermöglicht die komplexe Therapie
Doch diese Erkenntnisse allein hätten Anna Heimer nicht gerettet. Denn die Umsetzung der hochkomplexen Therapie ist mit bisher verfügbaren Geräten nicht möglich. Schon früh hatte Beyersdorf dies erkannt und gemeinsam mit Professor Dr. Christoph Benk, Bereichsleiter Kardiotechnik, und Professor Dr. Georg Trummer, Bereichsleiter Intensivmedizin der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg, im ausgegründeten Start-up Resusitec eine völlig neue Herz-Lungen-Maschine entwickelt: CARL. Die Abkürzung steht für Controlled Automated Reperfusion of the whoLe Body.
„CARL ist unseres Wissens das erste Gerät, das speziell für die Reanimation entwickelt wurde und die komplette Herz-Lungen-Funktion der Patient*innen übernehmen kann. Vor allem aber ist es weltweit das einzige Gerät, das eine Behandlung der Schäden ermöglicht, die durch den Herzstillstand entstanden sind“, sagt Benk. Mit CARL können alle wichtigen Blutwerte in Sekunden präzise gesteuert werden. „Durch eine Doppelpumpe erzeugen wir außerdem einen sehr natürlichen Blutfluss mit den üblichen Druckunterschieden wie beim Pulsschlag. Dadurch können wir während der CARL-Therapie das Gehirn optimal versorgen“, sagt Beyersdorf. Das Gerät ist so klein und leicht, dass es im Rettungswagen Platz findet und direkt zu den Patient*innen getragen werden kann.
Weitere Studiendaten sollen großen Nutzen belegen
Als Anna Heimer ins Universitäts-Notfallzentrum des Universitätsklinikums Freiburg eingeliefert wird, wird sie sofort an das CARL-System angeschlossen. Mit Erfolg: Heimer überlebt den Herzstillstand nicht nur, sondern kann rund drei Wochen später das Klinikum verlassen – ohne größere Einschränkungen.
„In einer Pilotstudie konnten wir viele der Patient*innen mit gutem Ergebnis retten, obwohl diese bereits zwischen 50 und 120 Minuten reanimiert worden waren. Bei einer regulären Therapie hätte für die Betroffenen kaum eine Chance bestanden“, sagt Trummer. Jetzt werden die Ergebnisse in einer großen europäischen Studie überprüft. Damit schon bald möglichst viele Betroffene von CARL profitieren können.
*Name von der Redaktion geändert
Die Universitätsklinik Freiburg ist Partnerklinik von "Wir für Gesundheit". PlusCard-Inhaber*innen erhalten hier Wahlleistungen entsprechend ihres Tarif. Mehr Informationen finden Sie unter www.uniklinik-freiburg.de